Die Zustellung eines Urteils eines ordentlichen Richters muss zum Zwecke des Ablaufs der so genannten "kurzen Frist" für die Einlegung eines Rechtsmittels an den bestellten Rechtsverteidiger erfolgen. Die Zustellung eines Schiedsspruchs zur Wahrung der Rechtsmittelfrist kann hingegen an die Partei persönlich erfolgen. In diesem Zusammenhang hat der Kassationsgerichtshof nunmehr befunden, dass die Zustellung eines Schiedsspruchs an die Partei persönlich dazu geeignet ist, die kurze Rechtsmittelfrist auszulösen, auch wenn die Partei im Schiedsverfahren von einem Rechtsverteidiger vertreten wurde. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs findet das Verhältnis zum Verteidiger in einem Schiedsverfahren auf der vertraglichen Ebene eines Mandats mit Vertretungsbefugnis statt, ohne eine effektive Einlassung, wie dies in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten der Fall ist, so dass die Artikel der Zivilprozessordnung über die Verfahren vor dem staatlichen Gericht nicht anwendbar sind (in diesem Sinne Kassationsgerichtshof, Beschluss Nr. 33140/2022 vom 10/11/2022).
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
In der Rechtsprechung ist es umstritten, ob eine Schiedsklausel in einem Vertrag, die vorsieht, dass alle Streitigkeiten aus dem Vertrag selbst von einem Schiedsrichter zu entscheiden sind, so auszulegen ist, dass der Schiedsrichter auch für die Verhandlung und Entscheidung von unerlaubten Handlungen zuständig ist, die während der Erfüllung des Vertrags begangen wurden. Hierzu ist anzumerken, dass Art. 808bis ZPO vorsieht, dass die Parteien durch besondere Vereinbarung festlegen können, dass Streitigkeiten, die sich auf außervertragliche Verhältnisse beziehen, von Schiedsrichtern entschieden werden sollen. Wenn die Parteien beabsichtigen, dem Schiedsrichter auch die Befugnis zu übertragen, über Tatsachen zu entscheiden, die bei der Erfüllung des Vertrages eingetreten sind und eine unerlaubte Handlung darstellen können, empfiehlt es sich, keine allgemeine Klausel zu verwenden, sondern ausdrücklich vorzusehen, dass der Schiedsrichter auch über solche unerlaubten Handlungen entscheiden kann. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass die Schiedsrichter nur für etwaige Vertragsverletzungen zuständig sind und dass etwaige unerlaubte Handlungen, die zwar mit der Erfüllung des Vertragsverhältnisses verbunden sind, stattdessen dem staatlichen Gericht zur Entscheidung vorgelegt werden.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
Einer der wichtigsten Grundsätze der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Autonomie der Schiedsklausel gegenüber dem Vertrag, der sie enthält. Aufgrund dieses Grundsatzes gilt nicht nur, dass die Klausel als verfahrensrechtliche Vereinbarung die Unwirksamkeit des Vertrags übersteht, sondern auch, dass in Ermangelung einer Rechtswahl durch die Parteien das auf die Schiedsklausel anzuwendende Recht unabhängig von dem für den Vertrag maßgeblichen Recht zu bestimmen ist. Dieser Grundsatz scheint durch den jüngsten Beschluss des Kassationshofs (Nr. 15713 vom 17.5.2022) überholt zu sein: der Richter soll für die Feststellung der Gültigkeit einer Schiedsklausel für ein internationales Schiedsverfahren, mangels einer auf die Schiedsklausel anwendbaren ausdrücklichen Rechtswahl das von den Parteien für den Vertrag gewählte Recht anwenden. Angesichts dieser neuen Ansicht kann nur vorgeschlagen werden, dass die Parteien nicht nur das für den Vertrag geltende Recht, sondern auch das auf die Schiedsklausel anzuwendende Recht festlegen; dieses kann sich von dem für den Vertrag bestimmte Recht unterscheiden. Es soll in jedem Fall im Voraus sichergestellt werden, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Klausel nach dem gewählten Recht erfüllt sind.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten unterliegt die Beweisaufnahme den nationalen Verfahrensvorschriften, denen sich der Richter nicht entziehen kann. Die Ausformulierung der Beweisanträge, deren Zulässigkeit, Art und Weise der Zeugen- und der Parteienvernehmung sowie die Fähigkeit als Zeuge auszusagen, sind in der Prozessordnung geregelt, an die sich der Richter halten muss und die keine Ausnahmen zulässt. In Wirtschaftssachen haben die Parteien nicht nur die Möglichkeit, einen Streitfall dem Schiedsrichter und nicht dem ordentlichen Richter zu übertragen, sondern können auch festlegen, welche Regeln der Schiedsrichter bei der Beweisaufnahme im ihm übertragenen Rechtsstreit zu beachten hat. Die Parteien können also auch Regeln und Grundsätze aufstellen, die sich von den Bestimmungen der vom ordentlichen Gericht zu befolgenden Prozessordnungen unterscheiden oder von diesen abweichen. So können die direkte Befragung von Zeugen und flexiblere und umfassendere Formen der Vernehmung und Befragung als von den Prozessordnungen vorgegebenen vorgesehen werden, einschließlich der Möglichkeit, die Parteien als Zeugen zu hören. Wesentliche einzuhaltende Voraussetzung ist, dass das Recht auf Anhörung der Parteien immer gewährleistet wird.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
Gemäß Art. 818 der ital. ZPO können Schiedsrichter grundsätzlich keine Arreste und Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes anordnen. Die Anordnung solcher Maßnahmen fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, auch wenn ein Rechtsstreit durch eine Schiedsklausel der Entscheidung eines Schiedsrichters zugewiesen ist. In einem solchen Fall muss der Antrag auf Erlass der Maßnahme vor dem ordentlichen Gericht gestellt werden, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig gewesen wäre. Wird die Maßnahme erlassen, so hat die antragstellende Partei der anderen Partei innerhalb der vom Gericht gesetzten Fristen ein Schriftstück zustellen, mit dem sie ihre Absicht erklärt, das Schiedsverfahren einzuleiten, zur Hauptsache vorträgt und den Schiedsrichter bestellt. Die erlassene einstweilige Maßnahme verliert nur dann ihre Wirksamkeit, wenn das Verfahren in der Hauptsache nicht innerhalb der gesetzten Fristen eingeleitet wird oder wenn ein Schiedsspruch ergeht, der den Anspruch, für den die Verfügung vom ordentlichen Gericht erlassen worden ist für nicht bestehend erklärt. An dieses muss sich die Partei wenden, die eine Unwirksamkeitserklärung der einstweiligen Maßnahme erwirken möchte.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
In den Fällen, in denen eine dringende Notwendigkeit besteht, den Ortsbefund oder die Qualität oder den Zustand von Sachen vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens festzustellen, kann ein Verfahren zur Beweissicherung vor dem ordentlichen Richter eingeleitet werden. Die Rechtsprechung vertritt einschlägig die Auffassung, dass das Bestehen einer Schiedsklausel die Zuständigkeit des ordentlichen Richters für die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens nicht ausschließt. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem Nutzen eines solchen Verfahrens, zumal der Schiedsrichter, der über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, nicht verpflichtet ist, die Ergebnisse des Beweissicherungsverfahrens zu berücksichtigen. Einige Schiedsordnungen sehen vor, dass der Schiedsrichter ein Beweissicherungsverfahren anordnen kann, bevor das Schiedsverfahren eingeleitet wird. Ist eine solche Bestimmung nicht vorgesehen, so sollten die Parteien diese vereinbaren. Ist dies nicht der Fall, so bleibt der betroffenen Partei nichts anderes übrig, als ein Beweissicherungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten einzuleiten, in der Kenntnis, dass es im Ermessen des Schiedsrichters liegt, ob er den Ergebnissen eines solchen Verfahrens Beweiskraft beimisst oder nicht.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
Es ist immer zu erwägen, dass manche Verträge ohne eine Schiedsklausel, die die Neutralität des Rechtsprechenden gewährleistet, nicht abgeschlossen worden wären. Mit der Reform des Schiedsgerichtswesens in 2006 hat der italienische Gesetzgeber das Schiedsverfahren als alternative Streitbeilegungsmethode zum Gerichtsverfahren eingeführt. Die Wirkungen des Schiedsspruchs wurden denen eines Gerichtsurteils gleichgestellt, wodurch dem Schiedsspruch dieselbe richterliche Würde zuerkannt wird. Es gibt jedoch noch erhebliche Unterschiede zwischen Schiedsspruch und Urteil eines staatlichen Gerichts: Der Schiedsspruch kann nur in Fällen von Nichtigkeit, Aufhebung und Drittwiderspruch angefochten werden. Die Zivilprozessordnung sieht keine zweite Schiedsinstanz vor, die mit einer Berufung gegen ein Urteil des ordentlichen Richters vergleichbar wäre. Einige Schiedsordnungen, darunter auch die der Deutsch-Italienischen Handelskammer, haben versucht, diese Lücke zu füllen, indem sie eine mögliche zweite Instanz im Schiedsverfahren vorsehen. Es ist fast überflüssig darauf hinzuweisen, dass eine solche Bestimmung das Schiedsverfahren für Wirtschaftsakteure, die die lange Dauer von Verfahren vor den ordentlichen Gerichten vermeiden wollen, attraktiver macht.
RA Avv. Robert Rudek
Avv. Alexander Gebhard
Am 24.12.2021 ist das Gesetz Nr. 206 in Kraft getreten, mit dem die Regierung beauftragt wurde, den Zivilprozess bis zum 24.12.2022 zu reformieren, und das Maßnahmen zur Vereinfachung und Verkürzung der Verfahrensdauer vorsieht, um die europäischen Verpflichtungen für den PNRR zu erfüllen.
Der italienische Gesetzgeber hat es jedoch versäumt vorzusehen, dass an grenzüberschreitenden Streitigkeiten beteiligte Personen in Italien einen Prozess in englischer Sprache führen können. In verschiedenen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Niederlande, wurden seit einigen Jahren 'Commercial Courts' eingerichtet, d.h. auf den internationalen Handel spezialisierte Gerichtsabteilungen, die es den Parteien ermöglichen, Verfahren in Englisch, der Sprache des internationalen Handels, zu führen. Die Voraussetzungen sind i.d.R. eine Vereinbarung zwischen den Parteien und dass der Streitfall internationalen Charakter hat.
In Erwartung, dass der italienische Gesetzgeber diesem Trend zur Internationalisierung der Justiz folgt, kann Geschäftsleuten nur geraten werden, sich mit ihren Partnern auf einen Gerichtsstand zu einigen, der die Verwendung der englischen Sprache erlaubt, oder einen Schiedsrichter zu ernennen, der das Schiedsverfahren in dieser Sprache führt.
Avv. Alexander Gebhard
Artikel 819 ter der italienischen Zivilprozessordnung regelt das Verhältnis zwischen Schiedsrichtern und staatlichen Gerichten. Die Rechtshängigkeit eines Verfahrens vor dem staatlichen Gericht schließt die Zuständigkeit des Schiedsrichters für dieselbe Streitigkeit nicht aus; trägt der Beklagte in einem Verfahren vor dem ordentlichen Richter vor, dass der Kläger eine Klage in Verletzung einer Schiedsgerichtsvereinbarung eingereicht hat, hat das Gericht, sofern es auf die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung erkennt, die eigene Zuständigkeit zu verneinen und das Verfahren an den Schiedsrichter zu verweisen. Die Entscheidung kann mit Beschwerde vor dem Kassationshof angefochten werden; dessen Entscheidung ist bindend. Wird das Bestehen einer wirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung in einem Schiedsverfahren bestritten, bevor dieselbe Streitigkeit bei einem staatlichen Gericht anhängig gemacht wird, so entscheidet über die Zuständigkeit allein der Schiedsrichter. Ergeht die Entscheidung als Zwischenschiedsspruch, so ist sie nur mit dem endgültigen Schiedsspruch anfechtbar. Nach der Entscheidung, die die Zuständigkeit verneint, kann das Verfahren vor dem staatlichen Richter bzw. dem Schiedsrichter aufgenommen werden.
RA Avv. Robert Rudek
Nach Art. 816 septies ZPO ist ein Schiedsrichter befugt, die Fortsetzung des Schiedsverfahrens von der Zahlung von Beträgen, die die Parteien voraussichtlich als Kosten des Verfahrens zu tragen haben, abhängig zu machen. Soweit nicht anders vereinbart, werden diese Kosten den Parteien zu Lasten gesetzt. Die Zahlungsverpflichtung erwächst unmittelbar aus der Schiedsvereinbarung, mit der die Parteien den Willen bekunden, die Streitigkeit einem Schiedsrichter zuzuweisen. Eine ausgebliebene Zahlung kann als stillschweigende Erklärung der Parteien, sich von der Schiedsvereinbarung lösen zu wollen, ausgelegt werden. Eine besondere Bedeutung haben also Form und Inhalt des Zahlungsverlaufens eines Vorschusses. Eine Verpflichtung zur Leistung der Anzahlung kann nicht infolge einer einfachen Anfrage des Schiedsrichters erwachsen; es bedarf hingegen einer förmlichen Erklärung mit dem Hinweis, dass eine Fortsetzung des Verfahrens von der Zahlung der geforderten Beträge abhängig ist. Als “voraussehbare Kosten” sind ausschließlich Verfahrenskosten und nicht die Honorare für den Schiedsrichter zu betrachten; diesem kann nicht seine Vergütung festsetzen.; eine etwaige Festsetzung ist gemäß Art. 814 ZPO als „Angebot“ an die Parteien auszulegen.
RA Avv. Robert Rudek